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Das SIVUS-Konzept bietet keine perfekte und ausgefeilte Theorie, sondern in seiner grundsätzlichen Strukturierung einen Freiraum, den es auszufüllen gilt. Ich verstehe das SIVUS-Konzept als ein Gerüst, es kommt mit sehr wenigen Vorgaben aus. Dies ist befreiend gegenüber anderen komplexen Handlungskonzepten. Damit haben die Begleiter/innen jedoch eine große Verantwortung für das Gelingen. Diese Verantwortung kann nur in einem funktionierenden Team auf viele Schultern verteilt werden. Und das wiederum bedeutet, dass der Teamentwicklung, dem förderlichen Umgang miteinander und der individuellen Arbeitszufriedenheit ein entscheidendes Augenmerk beigemessen werden muss.

Diese Tatsache kann auch kritisch gesehen werden: Das SIVUS-Konzept ist zunächst davon abhängig, dass dem Team eine strukturelle Verankerung gelingt und eine Person in der Lage ist, einen „roten Faden“ der SIVUS-Arbeit zu verfolgen und in der Hand zu behalten. Diese Krücke ist notwendig, solange das Team die Verantwortung nicht verlässlich übernehmen kann, das Gerüst des Konzeptes mit ihren Inhalten zu füllen und diese spezifische Team-Umsetzung zu verinnerlichen. Umstrukturierungen und eine große Fluktuation schaden diesem Prozess.

Der Freiraum, den das SIVUS-Konzept bietet, ist nicht gleichbedeutend mit der Abgabe jeglicher Verantwortung, die ich als Mitarbeiter/in gegenüber einem Menschen mit geistiger Behinderung habe. Nicht ´Laissez-faire´ ist das Ziel. Das SIVUS-Konzept wird falsch verstanden, wenn das Konzept der ´Eigenverantwortlichkeit´ nicht mit einem individuellen Zugang versehen wird. Ein individuelles Vorgehen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in einem verabredeten Zeitrahmen, in dem wiederholt eine Reflexion des Prozessverlaufes stattfindet, mit einer Person ein ganz individueller Rahmen abgesprochen bzw. ihr gesetzt wird, an dem sie sich orientieren kann und der ihr die Möglichkeit gibt, ein größeres Maß an Selbständigkeit zu lernen. Als Unterstützer/in habe ich die Verantwortung für die Bereitstellung dieser Rahmenbedingungen, die die Entwicklung eines behinderten Menschen und einen Lernprozess auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortlichkeit ermöglichen. Ich sollte ihn mittel- und langfristig bei der Rücknahme von Hilfestellungen weder überfordern noch unterfordern.

Ungeübte Mitarbeiter/innen - so die Beobachtung - benötigen Zeit, die richtige Balance zwischen Freiraum und Grenzsetzungen zu finden (insbesondere bei verhaltensauffälligen und aggressiven Bewohnern/innen).

Das SIVUS-Konzept ist in seinen Eckpunkten wie auch in seinen Implikationen und den geschilderten Auswirkungen auch ein politisches Konzept. Es verändert die Sichtweise vom Menschen - und damit den Menschen selbst. Dies hat Auswirkungen auf das alltägliche Verhalten derjenigen, die mit dem Konzept in Kontakt gekommen sind. Damit kann die Arbeit nach dem SIVUS-Konzept auch zu einem gesellschaftlichen Gegenentwurf beitragen, in dem die ökonomische Durchdringung des Sozialen als das entlarvt wird, was es ist: menschenunwürdig. Solidarität und die Entwicklung von Selbstvertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl sind Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens, deren Fehlen unabsehbare gesellschaftliche Folgen hat.

 

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